
Die bitteren Tränen der Petra von Kant
von Rainer Werner Fassbinder. Stadttheater Fürth.
Einladung zu den Bayerischen Theatertagen in Bamberg.
„Das Publikum sollte die Konfrontation mit dieser Inszenierung wagen.“
(NZ)
„…eine konsequente Ästhetik [..] funktioniert nicht nur, sondern ist in manchen Momenten beängstigend – ja schön.“
(NN)
Das umfangreiche Werk von Rainer Werner Fassbinder ist auch heute noch, über dreißig Jahre nach seinem frühen Tod, ungeheuer populär. Die Gründe liegen in Fassbinders unkonventioneller Lebensweise, seinen radikalen künstlerischen Ansichten, aber auch daran, dass Homosexualität als Lebensentwurf trotz aller gesetzlichen Regelungen sich noch immer auf dem Weg in die Emanzipation befindet.
Fassbinders zahlreiche Filme sind nach wie vor Kult, und seine Theaterstücke sind mehr und mehr festes Repertoire der Stadt- und Staatstheater geworden. Im Stadttheater Fürth wird nun das 1971 am Theater am Turm in Frankfurt uraufgeführte Schauspiel „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ in der Inszenierung von Barish Karademir, der schon vor einigen Jahren Regie-Erfahrungen mit Fassbinder am Gostner Hoftheater gesammelt hat, neu einstudiert.
Im Mittelpunkt des Schauspiels steht die Modedesignerin Petra von Kant, die mit ihrer Angestellten Marlene in strikter Selbstdisziplin ein luxuriöses Appartement bewohnt. Petra war verheiratet und hat ihre Tochter in einem teuren Internat „entsorgt“. Petras Mutter hängt ebenfalls am exklusiven Tropf der Tochter. Durch ihre Freundin Sidonie lernt Petra das junge Model Karin kennen. Sie verliebt sich in Karin und bietet ihr eine Anstellung als Mannequin an. Karin willigt ein, lässt sich von Petra aushalten und nutzt ihre Macht, die sie durch die Liebe über Petra hat, schamlos aus. Als Karin Petra verlässt, reagiert diese verzweifelt und hysterisch und ergibt sich dem Alkohol. An ihrem Geburtstag wird sie von Tochter, Mutter und Sidonie besucht. Nichts kann von Kant einen Halt geben, schon gar nicht die Familie. In dem verlogenen Trubel um ihre Person begreift Petra, dass sie allein ist. Angeekelt muss sie erkennen, dass ihr glamouröses Leben nichts als ein kalter Kosmos von Besitz und Abhängigkeiten ist.
Das Schauspiel „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ und auch der kurz danach entstandene Film ist eine Fallstudie, in der Fassbinder wie in kaum einem anderen Werk Autobiografisches verarbeitete. Es ging um das Ausloten von Abhängigkeitsverhältnissen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen und um die Pole Liebe und Macht. Obgleich die persönlichen Lebensumstände Fassbinders in dem Stück eine große Rolle spielen, spiegelte er das Thema und verlagerte die Problematik in den Bereich der weiblichen Sexualität.
Fassbinder wollte damit nichts verschleiern, sondern zum Ausdruck bringen, dass er die Unterdrückungsmechanismen in der Liebe und die bittere Wahrheit, dass derjenige, der mehr liebt oder an einer Beziehung stärker hängt, zum Unterlegenen, zum Opfer wird, durch Frauen besser zeigen kann.
Fassbinder dazu: „Aber mithilfe der Frauen kann man mehr Dinge zeigen. Die Frauen haben insgesamt tatsächlich Verhaltensmöglichkeiten, Möglichkeiten zur Veränderung, die ich sehr viel interessanter finde. Männer sind so simpel.“
Nicht zuletzt dadurch, dass in „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ ausschließlich Frauen auftreten, passt das Werk vorzüglich zum diesjährigen Spielzeitmotto des Stadttheaters Fürth „Jahrhundertfrauen“.
Ein Jahr nach der Uraufführung erhielt Fassbinders Filmfassung bei den Filmfestspielen Berlin einen Goldenen Bären und 1973 drei Bundesfilmpreise.
Die Fürther Aufführung „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ ist eine Hommage an den Ausnahmekünstler Rainer Werner Fassbinder, der im Mai 2015 70 Jahre alt geworden wäre.