Draußen vor der Tür
von Wolfgang Borchert. Gostner Hoftheater Nürnberg.
„Draußen vor der Tür setzte als Eröffnungsstück gleich ein erstes Glanzlicht unter den neun teilnehmenden Produktionen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum. Barish Karademir und Choreograf Ingo Schweiger nehmen mit viel Respekt den Klassiker […] auseinander, inszenieren ihn mit Samples, Blitzlichtern und Störgeräuschen ganz schön dämonisch neu – und bleiben dennoch überraschend dicht an der Vorlage. […] Das beeindruckend vielschichtige und intensiv aufspielende Ensemble hievt das Drama […] mit einer beeindruckenden Leichtigkeit auf die Bühne und trotzt ihm mühelos eine frische, aktuelle Sichtweise ab. Chapeau!“
(Stefan Gnad, Nürnberger Nachrichten)
Als nicht mehr zeitgemäß wurde Wolfgang Borcherts Drama „Draußen vor der Tür“ häufig kritisiert – im Fall der Nürnberger Inszenierung trifft das allerdings nicht zu.
Vor mehr als 60 Jahren wurde Borcherts Stück uraufgeführt. In dem Nachkriegsdrama kehrt ein ehemaliger Soldat in seine Heimatstadt Hamburg zurück. Er versucht die Erinnerungen an den Krieg zu verdrängen, aber die Integration in die Gesellschaft misslingt ihm.
„Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will“ lautet der Untertitel. Auch mehr als sechs Jahrzehnte später irrt Borchert damit. Die Premiere der Borchert-Produktion am 18. Oktober mit dem Titel „Draußen vor der Tür… und der Krieg geht weiter“, ausgerichtet vom Gostner Hoftheater, war ausverkauft. Viele Jugendliche und Familien waren unter den Zuschauern. Regisseur Barish Karademir geht mit seiner Produktion der Frage nach, was es heißt, ein Opfer zu sein. „Du Opfer“: ein Begriff der unter Jugendlichen alltäglich ist.
Ein Opfer, ein Versager, ist auch die Hauptfigur Beckmann. Gespielt von Alexander Altomirianos stolpert er mit nacktem Oberkörper über die Bühne. Eine Gasmaskenbrille trägt dieser Beckmann zwar nicht, aber auf Requisiten, wie zum Beispiel Bettgestelle wird dennoch nicht verzichtet. Für Heiterkeit bis Staunen sorgen die weiteren Protagonisten. Der Tod, verkörpert von Nikolaus Struck, muss unentwegt aufstoßen und die Elbe, gespielt von Ulrike Fischer, verwendet Anglizismen. Einzig etwas zu lächerlich für diese sonst eher betont ernste Inszenierung wirkt die neue Bewohnerin des Elternhauses – ein Mann in Frauenkleidung.
Neben dem Schauspiel erzählt diese Produktion mit Mitteln des Tanztheaters. Ingo Schweiger ist Choreograf und verkörpert gleichzeitig „Den Anderen“. Audiomediale Elemente sorgen für Abwechslung. So wird auf eine Leinwand im Hintergrund eine Filmaufnahme von fließendem Wasser projiziert. Die Musikaufnahmen reichen von sanften Klängen bis zu schrillen Technotönen.
Fast eine Minute, nachdem der Vorhang bereits gefallen war, soll es bei Borcherts Uraufführung im November 1947 an den Hamburger Kammerspielen gedauert haben, bis das Publikum applaudierte. Die Massen waren ergriffen – so manch ein Zuschauer erkannte sich in dem Stück selbst wieder. Die Kritik an Kriegseinsätzen ist zeitgemäß geblieben. Jedes Jahr kehren Soldaten mit einer posttraumatischen Belastungsstörung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr zurück.