Fräulein Julie
von Henrik Ibsen. Gostner Hoftheater Nürnberg.
Gespannt und abgestoßen zugleich blickt man auf die Figuren. Unter ihrer dicken Schicht Egomanie schimmert eine noch dickere Portion Hilflosigkeit. Nur Köchin Kristin, die ihr Scherflein dazu beiträgt, dass es zu keiner Flucht kommt, lächelt listig dazu. Letzten Endes kämpft nicht Mann gegen Frau, sondern Mensch gegen Mensch.
(Susanne Helmer, Nordbayern.de)
Eine junge Adlige hat ein Techtelmechtel mit ihrem Diener – wen interessieren solche Standesunterschiede heute? August Strindbergs Drama «Fräulein Julie» könnte so gesehen langweilig sein. Doch die Mechanismen von Macht und Trieben sind die gleichen geblieben. Am kommenden Mittwoch ist das Stück im Gostner Hoftheater zu sehen.
Baris Karademir, der schon Fassbinders Stück «Tropfen auf heiße Steine» und das Solo «Feierabend» mit Adeline Schebesch für das Gostner Hoftheater inszeniert hat, will den Fokus auf die Machtstrukturen innerhalb einer Beziehung lenken. «Heutzutage wäre es vielleicht ein Mädchen aus einer höheren Schicht, das sich in einen Bauarbeiter verliebt. Er will nach oben, sie will der Langeweile ihrer abgesicherten Existenz entfliehen», meint Karademir.
Knecht ist Knecht
Bei August Strindberg lässt das um gesellschaftlichte Moralvorstellungen wenig bekümmerte Fräulein Julie den Diener Jean schnell spüren, dass er doch nicht aus seiner Untergebenen-Rolle entfliehen kann. «Knecht ist Knecht», wirft sie ihm an den Kopf. Er kontert: «Hure ist Hure».
Auch da hat sich seit Strindberg nicht viel geändert, wenn man genau hinsieht, meint der Regisseur. Schließlich gebe es – in dörflichen Gegenden etwa oder in anderen Kulturen – noch immer den Begriff der Entehrung, der stets mehr die Frau trifft als den Mann.
Köchin spielt wichtige Rolle
Den psychologisch-philosophischen «Ballast», den er in Strindbergs 1889 uraufgeführtem Stück über (Ohn)-Macht und Moral vorfand, hat Karademir kurzerhand gestrichen. In seiner eineinhalbstündigen Version spielt dafür die Köchin Kristin eine wichtige Rolle, die nicht nur mit Jean verlobt ist, sondern auch als dauernde Beobachterin die Affäre kommentiert. Im Gostner schläft sie nicht, sondern schaut sich den Kampf ihres Verlobten und der Herrschaft einfach an. «Das erinnert an die Gaffer, die es heute in vielen Formen gibt: diese Lust am Leid der anderen, das auch über die Medien konsumiert wird», sagt Karademir.